Art meets Real Estate
22. September 2020Visionäre Architektur in Düsseldorf: Kö-Bogen II – Europas größte Grünfassade
3. November 2020Der Architekt Jürgen Geiselhart (Geiselhart & Musch GbR) realisiert maßgeschneiderte Domizile der Luxusklasse. Mit Lutz Rautenberg, dem Inhaber von Rautenberg Real Estate, verbindet ihn eine ebenso langjährige wie erfolgreiche Partnerschaft. Die Wünsche ihrer Auftraggeber kennen die beiden manchmal besser als diese selbst. Ein Gespräch über die besondere Qualität ihrer Zusammenarbeit, zeitgemäße Architektur und den komplexen Dialog mit den Bauherren.
Herr Geiselhart, seit wann arbeiten Sie mit Herrn Rautenberg zusammen und wie kam es dazu?
J.G.: Wir arbeiten seit circa 15 Jahren zusammen. Unser erstes gemeinsames Projekt war die „Villa im Park“ in Meerbusch-Büderich. Herr Rautenberg hatte das Grundstück damals mit Bestand verkauft und mich für den Neubau als Architekten ins Spiel gebracht. Das war der Beginn unserer Kooperation, die wir über die Jahre ausgebaut haben und die wir beide sehr schätzen.
Was macht die Qualität Ihrer Zusammenarbeit aus? Was genau schätzen Sie daran besonders?
J.G.: Dass es nicht nur eine berufliche Zusammenarbeit ist. Denn das wäre reiner Fakten-Pingpong und damit würden wir nicht sonderlich weit kommen. Wir pflegen vielmehr einen ausgesprochen freundschaftlichen Austausch. Man könnte es berufliches Networking nennen, aber letztlich ist es etwas anderes. Ob im Café oder im Restaurant – wir führen lange Gespräche und kommen dabei vom Hölzchen aufs Stöckchen, wie man so schön sagt. Und beim Stöckchen merken wir plötzlich: „Das ist ein Thema, um das wir uns einmal gemeinsam kümmern sollten.“ Tatsächlich führen diese Gespräche häufig zu etwas Produktivem. Was das am Ende konkret ist – wen man wie und warum zusammenbringt, das weiß man am Anfang nicht. Das kann man nicht planen.
L.R.: Ich möchte an dieser Stelle zwei Begriffe einbringen, die mir wichtig sind: Vertrauen und Verlässlichkeit. Sie beschreiben die Qualität unserer Zusammenarbeit meiner Meinung nach sehr gut. Was uns außerdem verbindet, ist die Fähigkeit, die Wünsche unserer Auftraggeber zu erkennen, gepaart mit Stilgefühl. Es ist ja jedes Mal ein Vertrauensvorschuss meiner Kunden, wenn sie darauf eingehen, dass ich ihnen Herrn Geiselhart als Architekten vorschlage, weil ich denke, dass er ihre Vorstellungen optimal umsetzen kann. Und diesbezüglich habe wir beide eine hohe Trefferquote. Auch das zeichnet unsere Kooperation aus.
J.G.: Herr Rautenberg und ich haben sowohl in Bezug auf unsere Persönlichkeit als auch unsere Kundenkreise eine große Schnittmenge. Unser beider Auftraggeber suchen etwas sehr Individuelles, sie wollen sich entfalten. Sie bringen eine gewisse Vorstellungskraft und ein großes Selbstbewusstsein mit. Unsere Kunden sind zudem sehr diskret und zurückhaltend. All das respektieren, bedienen und schätzen wir. Ich kann mir bei Herrn Rautenberg sicher sein, dass es funktioniert, wenn er mich jemandem empfiehlt. Und das ist – das habe ich in den letzten zwanzig Jahren gelernt – alles andere als selbstverständlich.
Gibt es ein besonderes Highlight Ihrer Zusammenarbeit? Oder eine schöne Anekdote?
L.R.: Dazu fällt mir ein großes Kompliment ein, das ein Kunde Herrn Geiselhart mal gemacht hat: „Sie haben uns erst gezeigt, was wir alles Schönes mit unserem Geld machen können.“ Unsere Auftraggeber sind eher zahlen- und faktenorientiert, aber gestalterischen Fragen gegenüber sehr aufgeschlossen. Hier kommt dann die große Fähigkeit von Herrn Geiselhart ins Spiel, nicht nur die geäußerten Wünsche der Kunden umzusetzen, sondern vor allem auch, die Tür zu weiteren ungeahnten gestalterischen Möglichkeiten aufzustoßen. Ich glaube nicht, dass ein Bauherr beim Einzug in sein Haus sagt, dass er es sich vorher genau so vorgestellt hat.
J.G.: Unsere Bauherren sind so ungewöhnliche und herausragende Persönlichkeiten, dass es eigentlich zu jedem Projekt tolle Anekdoten gibt. Spontan fällt mir diese ein: Ich habe kürzlich ein Haus für Kunden gebaut, die einen Dackel haben, der keine Treppe laufen soll. Damit er sich aber trotzdem frei zwischen den Stockwerken bewegen kann, musste der Aufzug eine spezielle Steuerungsmöglichkeit für ihn haben. So haben wir ein Touchpanel integriert, mit dem der Hund den Aufzug eigenständig rufen und vom EG ins OG fahren kann. Das war schon recht speziell (lacht).
Was sollte gute Architektur in Ihren Augen leisten?
J.G.: Das liegt ganz im Sinne des Betrachters und des Nutzers. Ich habe sehr unterschiedliche Bauherren, die demzufolge ganz unterschiedliche Herangehensweisen und Blickwinkel haben. Natürlich zählen zu einer guten Architektur erst einmal die nüchternen Fakten: Technik, Statik, Konstruktion und so weiter. Man darf nicht vergessen: Ein Architekt hat einen Ingenieurberuf und setzt zunächst einmal eine Maschine zusammen. Und die muss natürlich technisch und konstruktiv einwandfrei funktionieren. Bei unseren Projekten ist die Technik immer sehr aufwendig. Die Räume mit der Haustechnik kommen einem kleinen Einfamilienhaus gleich, das rappelvoll ist mit den verschiedensten Gewerken. Wenn die Technik steht, kommen die emotionalen Aspekte. Dabei geht es dann um Fragen wie: Was ist für mich ein Zuhause? Wo fühle ich mich wohl etc.? In dieser Hinsicht sind die Geschmäcker und Bedürfnisse sehr verschieden. In Bezug auf das Optische ist die Bandbreite bei meinen Kunden tatsächlich sehr groß. Aber egal, ob das Interieur am Ende komplett schwarz/weiß oder bunt ist – damit ein Gebäude ästhetisch funktioniert, muss der Architekt ein Gefühl für Parameter wie Materialien, Haptik und Raumgröße haben und sie so einsetzen, dass sie miteinander harmonieren.
L.R.: Ich würde es auf diesen Punkt bringen: Architektur ist gut, wenn sie den Wünschen des Bauherrn entspricht und sie ihnen dient. Was ist die wesentliche Aufgabe eines Architekten?
J.G.: In unserem Tätigkeitsbereich, der sich auf das private Wohnen konzentriert, ist die oberste Aufgabe, den zukünftigen Nutzern ein Zuhause zu schaffen. Sowohl in Herrn Rautenbergs Metier als auch in meinem ist die psychologische Komponente in der Zusammenarbeit mit dem Bauherren essentiell. Damit meine ich das Lesen und Verstehen dessen, was er will. Das führt häufig sogar dazu, dass man den Kunden am Ende fast ein bisschen besser kennt als er sich selbst. Mein Job ist es, Ideen anzubieten oder eine Vorstellung zu kreieren, die den Kunden auf neue Fährten bringen. Das führt dann im Idealfall zu Aussagen wie: „Ach, so sehen Sie das? Das ist ein völlig neuer Ansatz, aber eigentlich haben Sie Recht.“ Manchmal geht es auch darum, eine Brücke zwischen Ehepartner oder zwischen Kindern und Eltern zu schlagen, wenn sie unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse haben. Hier Lösungen anzubieten, mit denen alle Beteiligten langfristig glücklich sind, ist sowohl in unserem als auch in Herrn Rautenbergs Metier wichtig. Das ist die Basis unserer Arbeit.
Wovon lassen Sie sich inspirieren?
J.G.: Inspiration ist immer sehr vielfältig. Das Allerwichtigste ist natürlich der Input der Bauherren. Weitere Anregungen hole ich mir auf Reisen und durch das gezielte Anschauen von Architektur in anderen Städten – das ist die Grundlage. Dazu kommen Bücher und Zeitschriften, damit ist mein eigenes Zuhause bis unter die Decke voll. Sich zu informieren, was die Kollegen und Künstler machen, ist unumgänglich.
Wer sind Ihre Vorbilder und warum?
J.G.: Unter den Architekten sind das David Chipperfield und Peter Zumthor. Ich mag ihren sehr ruhigen und zurückhaltenden Ansatz. Zudem legen beide großen Wert auf die Emotionalität der Materialien. Ich denke, unseren Projekten kann man ansehen, dass uns das ebenfalls sehr wichtig ist. Bei den Innenarchitekten gehören Axel Vervoordt und Christian Liaigre zu meinen Favoriten. Auch Liaigres Ansatz geht sehr stark von der Materialität aus, Emotionen sind ihm wichtiger als eine Symmetrie. Bei seinen Entwürfen korrespondiert jedes Detail mit dem verwendeten Material. Aber auch Chipperfield und Zumthor hören fast nie bei der Hülle auf, sondern arbeiten innenarchitektonisch weiter.
Wie würden Sie Ihren architektonischen Stil beschreiben?
J.G.: Ich bin kein großer Freund von Schubladen. Wir bauen weder nur Bauhaus noch nur Landhaus. Wir nehmen auf, was der Bauherr anbietet und entwickeln daraus ein Ganzes mit einem roten Faden – das umfasst Innen- und Außenarchitektur plus häufig auch die Gartengestaltung. In meinen Augen ist das der heutige Zeitgeist. Zumindest in Düsseldorf ist das so. In anderen Teilen des Landes sieht das anders aus. So ist in Stuttgart und Hannover zum Beispiel Bauhaus sehr populär. Eine retroangelegte Architektur ist dort kaum gefragt. Diese findet man vor allem in Düsseldorf, Hamburg, Berlin und München. In Düsseldorf hat das damit zu tun, dass hier ein recht internationales Publikum wohnt und viele Vorstände aus anderen Ländern hierhin kommen, die etwas anderes mitbringen als das typisch deutsche Bauhaus. Daher haben unsere Projekte ganz unterschiedliche Stile und Ansätze.
Was war Ihr bislang größter Erfolg oder Lieblingsprojekt?
J.G.: Ich möchte jetzt keinen Stil nennen, der mir besonders nahe liegt, denn ich lege viel mehr Wert auf die Kooperation mit dem Bauherrn. Wie komme ich mit ihm klar? Wie ist die Interaktion? Geht es nach dem Projekt weiter mit der Bekanntschaft, manchmal auch Freundschaft? Diese Dinge sind mir wichtig. Man arbeitet ja eine sehr lange Zeit miteinander und teilt auch sehr private Dinge – Stichwort: Sockenschublade oder Bäder. Man dringt in den Intimbereich ein. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit zeigt sich zudem auch darin, dass man weitere Projekte realisiert. Für einen Kunden haben wir zum Beispiel insgesamt vier Mal gebaut. Nach dem Privathaus kommen dann zum Beispiel noch Ferienhäuser hinzu oder ein Bau für die Fahrzeugsammlung und so hält sich der Kontakt sehr lange. Die Wahl eines Lieblingsprojekt ist bei mir also weniger auf ein spezielles Gebäude ausgerichtet als vielmehr auf einen Bauherrn, der mir besonders am Herzen liegt. Und der dann vielleicht sogar zum Freundeskreis gehört.
Gibt es etwas, dass Sie niemals bauen würden?
J.G.: Für dekonstruktiven Baustil bin ich vollkommen ungeeignet. Ich mag keine glatten Glas- oder Aluminiumfassaden. Das erzeugt bei mir keine Emotionen. Eine Fassade muss Licht und Schatten zeigen. Sie muss eine Haptik ausstrahlen. In beiden Disziplinen glänzen die Projekte von Chipperfied und Zumthor besonders.
Architektur als Schnittstelle zwischen Kunst und Ingenieurwesen – Welche Möglichkeiten ergeben sich daraus?
J.G.: Bei jedem Bauvorhaben stehen lange Zeit erst einmal der Ingenieur, beziehungsweise die Themen Konstruktion und Technik im Vordergrund. Sie sind essentiell für jedes Gebäude. Eine der großen Aufgaben eines Architekten ist es dann, die Technik so zu verstecken und zu verkleiden, dass man sie nicht wahrnimmt. Oder zumindest nicht unangenehm wahrnimmt. Das macht einen guten Architekten aus. Es gibt Häuser, die sind sichtbar vollgeknallt mit Abwasserrohren und Notüberläufen und so weiter. Das wird man an unseren Häusern nirgendwo finden.
Was sind typische Herausforderungen in Ihrem Job? Gibt es ein Beispiel?
J.G.: Ich erinnere mich an eine große Herausforderung statischer Art. Und zwar sollte bei einem Projekt der Pool im ersten Obergeschoss fünf Meter über das Erdgeschoss hinauskragen. Die Schwierigkeit war, dass auf keinen Fall eine Stütze darunter gesetzt werden durfte. Pool und Terrasse sollten vielmehr frei in die Landschaft herauskragen. Das war wirklich eine riesen Herausforderung. Denn nicht nur der Pool mit dem Wasser hatte ein unglaubliches Gewicht, sondern allein die Glasscheiben, die genau dort stehen, wo keine Stütze sein durfte, wogen schon über 800 Kilo. Wir haben das dann mit Stahlträgern realisiert. Das Ergebnis ist ein tolles Objekt mit einem großartigen Effekt. Wenn man drinnen steht, guckt man völlig frei in die Landschaft. Das ist schon sehr beeindruckend.
Ist der Bauherr immer König oder muss ein Bauherr durch einen erfahrenen Architekten auch schon mal zu seinem Glück „gezwungen“ werden?
J.G.: In der Regel entwickelt sich ein Projekt im Dialog mit dem Bauherren. Ganz selten kommt es vor, dass ich dabei sagen muss: „Nein, das mache ich nicht.“ Und das passiert auch nur, wenn ein Wunsch wirklich vollkommen unsinnig ist und wenn ich weiß, dass der Bauherr sich später darüber ärgern würde. Dann ziehe ich die Notbremse. In diesen seltenen Fällen zwingt man den Bauherrn dann tatsächlich ein wenig zu seinem Glück. Ich kann mich nur an zwei Projekte erinnern, wo ich das gemacht habe. Und beide Bauherren sagen heute zu mir: „Gott sei Dank hast du uns damals davon abgehalten.“
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Bildnachweis: architekturfotografie Jens Kirchner (www.jens-kirchner.com)