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Vorteile mehren, Konflikte meiden – das Erbrecht richtig nutzen

Rechtsanwältin Dr. Sabine Rosenstein

Rechtsanwältin Dr. Sabine Rosenstein

Keine Frage: Etwas zu erben oder auch zu vererben gehört zum Leben und ist grundsätzlich eine positive Sache. Dennoch gibt es wohl wenige Anlässe, in denen es in Familien zu so heftigen und erbitterten Streitigkeiten kommt wie dieser. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, dies im Vorfeld zu verhindern. Zugegeben: Das Erbrecht ist besonders komplex und für Laien nicht einfach zu verstehen. Gleichzeitig bietet es enorme Gestaltungsmöglichkeiten. Man muss nur wissen, welche. Ein guter Grund also, sich mit dem Thema einmal näher zu beschäftigen und die wichtigsten Aspekte frühzeitig zu klären. Wir haben mit der Rechtsanwältin Dr. Sabine Rosenstein gesprochen.

Frau Dr. Rosenstein, Sie sind als Fachanwältin für Arbeits- und Familienrecht tätig im Arbeits- und Wirtschaftsrecht und befassen sich in einem besonderen Schwerpunkt mit dem Erbrecht. Daneben arbeiten Sie seit vielen Jahren als Mediatorin. Zunächst sind sicher einige Zahlen und Fakten sowie ein Überblick über die häufigsten Fragen und Probleme im Erbrecht sinnvoll. Wie viele Erbschaften gibt es pro Jahr und über welches finanzielle Volumen sprechen wir dabei?

Schätzungen zufolge gibt es ca. 110.000 Erbschaften pro Jahr. Bislang ging man in den vergangenen Jahren von Erbschaften von bis zu 300 Mrd. Euro aus, jedoch zeigen die Statistiken, dass das Erbe und das Volumen weiter steigen und tendenziell in naher Zukunft noch deutlich mehr Vermögen in Deutschland verschenkt oder vererbt wird. Man geht von ca. 400 Mrd. Euro pro Jahr aus.

„Wenn Du den wahren Charakter eines Menschen kennenlernen willst, teile eine Erbschaft mit ihm“, soll ja schon Benjamin Franklin gesagt haben. Wie viele Erbfälle enden denn im Streit?

Man kann davon ausgehen, dass 30-40 Prozent der Erbfälle in einen Streit münden.

Und landen die meisten Fälle vor Gericht oder schaffen es viele auch, sich ohne Prozess zu einigen?

Nach meiner Erfahrung sind die Erben in erster Linie an einer außergerichtlichen Einigung interessiert. Dies ist aus anwaltlicher Sicht auch dringend zu empfehlen, da erbrechtliche Streitigkeiten vor Gericht regelmäßig mit einer extrem langen, oft jahrelangen Verfahrensdauer verbunden sind und sich häufig über mehrere Instanzen erstrecken.

Kann zur Lösung von Erbstreitigkeiten auch eine Mediation sinnvoll sein?

Ein Mediationsverfahren ist in den meisten Fallkonstellationen zu empfehlen, da es in aller Regel mit einer deutlich kürzeren Verfahrensdauer und zudem mit erheblich niedrigeren Kosten verbunden ist. Zudem bietet es den ganz entscheidenden Vorteil, dass die Konfliktparteien mit Unterstützung des neutralen Mediators ihre Einigung selbständig im Rahmen dieses freiwilligen Verfahrens finden. Dies ist der erhebliche Vorteil im Vergleich zu einem gerichtlichen Verfahren, in dem sich die Parteien der Entscheidung unterwerfen müssen und zumindest eine Seite mit dem Urteil nicht zufrieden sein wird.

Kann eine Mediation auch schon im Vorfeld eines Erbfalls, also bevor das Kind möglicherweise in den Brunnen gefallen ist, sinnvoll sein? Wenn ja, warum?

Auch vor dem Erbfall kann eine Mediation durchaus in Erwägung gezogen werden, z. B. wenn sich abzeichnet, dass es Konflikte nach dem Versterben des Erblassers geben wird. Dies ist vor allem bei zu erwartenden, da nicht abschließend geregelten gesellschaftsrechtlichen Fragen zu empfehlen. Häufig geht es dabei ja auch um die Entscheidung der als gerecht empfundenen Aufteilung von Vermögen, insbesondere bei Immobilienvermögen, Firmen und/oder Praxisanteilen.

Thema Patchwork-Familien: Hier lauern sicherlich besonders viele Fallstricken, wenn es um das Erbe geht. Bei neuen Partnern und/oder Kindern aus verschiedenen Ehen ist es besonders schwierig, eine gute und gerechte Lösung für alle Beteiligten zu finden und sicherzustellen, dass auch wirklich diejenigen das erben, was der Vererber ihnen zukommen lassen möchte. Wie geht man in solchen Fällen am besten vor?

In derartigen Konstellationen ist es sicher vonnöten, dass die Parteien beziehungsweise der oder die Erblasser sich anwaltlich beraten lassen, wenn sie der Auffassung sind, dass es zu Streitigkeiten kommen könnte. Bei Patchwork-Familien entstehen zwangsläufig differenziert zu betrachtende erbrechtliche Fragestellungen, die im Vorfeld geklärt werden sollten. Im Falle von Streitigkeiten kann selbstverständlich auch hier ein außergerichtliches Verfahren, entweder durch Verhandlungen mit den Parteien und der jeweiligen anwaltlichen Vertretung oder durch ein Mediationsverfahren, angestrebt werden.

Wie viele Immobilien gehören zum Nachlass und werden jährlich vererbt?

Immobilien sind ein wesentlicher Bestandteil für die Altersvorsorge und Wertobjekte, die die Eltern gerne an ihre Kinder weitergeben. In den letzten 10 Jahren haben die Immobilienerbschaften um 10 Prozent zugenommen. Mittlerweile hinterlassen circa 45 Prozent der Erblasser ein Haus oder eine Wohnung. Studien zufolge werden bis zum Jahr 2024 circa 4,3 Millionen Immobilien vererbt. Dabei geht man davon aus, dass diese Besitztümer einen Wert von 3,1 Billionen Euro haben. In der anwaltlichen Beratung ist daher auf das Vererben von Immobilien und die Gestaltung des Nachlasses ein besonderer Schwerpunkt zu richten. Hier geht es um Fragen wie der Gestaltung und des Zeitpunkts einer etwaig intendierten Veräußerung oder Übertragung auf Kinder oder Partner, der Einräumung von Nießbrauchrechten, lebenslangen Wohnrechten et cetera.

Was ist zu tun, wenn ein Familienunternehmen zum Erbe gehört, gibt es da besondere Regelungen, die man kennen sollte? Stichwort: Gesellschaftsverträge.

Die Sichtung und Prüfung der zugrundeliegenden Verträge stehen auch hier selbstverständlich am Anfang der Beratung. In vielen Fällen liegt die Gestaltung der Gesellschaftsverträge Jahre oder Jahrzehnte zurück und bedürfen dringend einer Überprüfung und/oder Aktualisierung. Auch hier ist es mit Blick auf die Unternehmensnachfolge und das Erbrecht vonnöten, umfassend zu prüfen und die Verträge gegebenfalls anzupassen. Sofern eine derartige Aktualisierung vor dem Todesfall nicht vorgenommen wird, ergeben sich häufig Streitigkeiten nach Eintritt des Erbfalls, die im Vorfeld hätten vermieden werden können.

Haben Sie weitere grundsätzliche Tipps zum Thema Erben und Vererben?

Grundvoraussetzung ist, sich Gedanken zu machen über die Erstellung eines Testaments.

Bei der Gestaltung eines Testaments und der Verteilung des Vermögens sind dabei insbesondere auch die steuerrechtlichen Fragen zu klären. Es ergeben sich beispielsweise erhebliche Unterschiede im Erbschaftsteuerrecht in Bezug auf den Güterstand von Eheleuten, je nachdem ob sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft oder der Gütertrennung leben.

Wie bereits von Ihnen einleitend und zu Recht erwähnt, ist das Erbrecht komplex und enthält viele Regelungen, die allgemein nicht bekannt und auch nicht leicht zu verstehen sind. Wir haben jedoch eine umfassende Testierfreiheit in unserem deutschen Recht und diese sollte unbedingt genutzt werden, damit im Falle des Todes das Erbe in der jeweiligen Höhe denjenigen Menschen zukommt, die tatsächlich bedacht werden sollen. Dabei ist es jedoch vonnöten, sich mit den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen, wie zum Beispiel dem Pflichtteilsrecht, zu befassen, ebenso wie mit den Bestimmungen zu Schenkungen und Vermächtnissen. Damit Unklarheiten und Auslegungsprobleme nach Eintritt des Erbfalles vermieden werden, ist es auf jeden Fall empfehlenswert, im Vorfeld anwaltlichen Rat einzuholen.